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Zum 800. Todestag: Sultan Saladin Ayubi – ein Kurde, der Geschichte machte

Von Schamil Rojava

Yusef, betitelt als Al-Malek Al-Nasir Ibn Nadjmodin Ayub, der unter dem Namen Saladin (abgeleitet von Salah ed Din = Wahrheit des Glaubens), besser bekannt als „Saladin der Große“, in die Geschichte eingegangen ist, wurde 1138 in Takrit geboren, wo er seine Kindheit verbrachte. Seine Familie aus dem Stamm der Al’Raudi kam ursprünglich aus Defin in der Nähe der Stadt Dabil in Armenien. Saladin, der den Ruf „Schwert des Islam“ erwarb, war wahrscheinlich der größte Herrscher und die bedeutendste Führungspersönlichkeit, die Kurdistan hervorgebracht hat. Zu seinen Lebzeiten (Ausgang des 12. Jahrhunderts) war jedoch das nationale Bewusstsein der Kurden wenig entwickelt.

So ist der Name Saladins vor allem mit dem Islam verknüpft. Der Großvater von Saladin, Schadi lbn Ayub, der Kurde war und aus der Stadt Ayub stammte, zog Ende des 11. Jahrhunderts n. Chr. mit seinen zwei Söhnen zunächst nach Bagdad und wanderte später nach Takrit in das Erbil-Gebiet aus. Der Vater von Saladin erhielt einen Posten als Gouverneur von Takrit. Zur selben Zeit kam es zur Aufteilung des Seldschukenreiches. Die lokalen Machthaber wurden unabhängig. Einer dieser neuen Machthaber war der Gründer der Atabegen-Dynastie, Emmadodin Zangi, Herrscher in Mossul/Kurdistan.

Nach dem Tod von Emmadodin Zangi im Jahr 1146 n. Chr. blieben der Vater von Saladin im Dienst des Sohnes und Nachfolgers von Emmadodin, Nureddin Atabeg. Dieser plante, das Reich seines Vaters zu vergrößern. Die zwei Brüder unterstützten ihn dabei. Nureddin Atabeg und sein Nachfolger führten mit der Eroberung von Damaskus und anderen Gebieten und Städten ihren Kampf unter dem Namen „Djihao“ (Heiliger Krieg) weiter.

Mit sechzehn Jahren begleitete Saladin seinen Vater nach Damaskus an den Hof des syrischen Herrscher Nurdin. Als sein Onkel Schirkuh mit der Führung eines Expeditionskorps beauftragt wurde, ritt Saladin neben ihm an der Spitze von gut 8000 Kriegern gen Süden. Ihre Aufgabe war es, das fruchtbare Niltal vor einer Eroberung durch die Kreuzritter zu bewahren, die im Jahr 1099, vier Jahre nach Beginn des ersten Kreuzzugs, Jerusalem erobert hatten und weitere Expansionsziele hegten.

Die Mission des Schirkuh war es, sich mit seiner Person in den Vordergrund zu stellen. Dies war für Sultan Saladin Ayubi brisant, weil in Ägypten, wo zu dieser Zeit die Fatimiden die ihren Ursprung auf Fatima, der Tochter Mohammeds, zurückführen an der Macht waren und ein schwacher Kalif und der intrigante Wesir Schawar eine undurchsichtige Politik betrieben. Unter der Führung Schirkuhs zog sein siegreiches Heer in Kairo ein. Dem um die eigene Macht besorgten ägyptischen Wesir missfiel jedoch die Volkstümlichkeit und Popularität der Syrer. Als bei einem Gastmahl Schirkuh und seine höheren Offiziere unter verdächtigen Umständen starben, nahm Saladin mit einigen Mamelucken seiner Leibgarde den Wesir fest, der schließlich hingerichtet wurde. Schirkuh wurde Schawars Nachfolger; er starb jedoch bereits zwei Monate später. Als Kalif El-Adid daraufhin Saladin zum Wesir ernannte, war dessen Chance gekommen.

Sultan Saladin war Mitte 30. Als kurdischer Reiter wusste er gut mit der Lanze und dem Schwert umzugehen. Er sei gütig und gerecht, aber auch kühn und entschlossen, hieß es von dem jungen Wesir. Die Korruption in der ägyptischen Verwaltung und die Intrigenwirtschaft am dortigen Hof wurden auf Betreiben Saladins hin beendet, worauf jedoch ein blutiger Aufstand folgte. Eine aufgewiegelte Menge, die von dem einflussreichen Eunuchen El-Mutanem al-Khilafa, unterstützt von der Leibgarde des Kalifen, angeführt wurde, versuchte, Saladins Palast zu stürmen. Saladin konnte sie aber mit seinen syrischen Truppen erfolgreich zurückschlagen. Der zwei Tage und Nächte dauernde Straßenkampf führte zu einem Ende der mächtigen Eunuchenbürokratie, einer Säuberung des Verwaltungsapparates und Saladins uneingeschränkter Herrschaft in Ägypten.

Für den Islam kennzeichnete der Machtantritt Saladins eine glanzvolle Epoche, für den Kreuzfahrerstaat in Jerusalem bedeutete er jedoch ein Zeitalter des Niedergangs.
Am 15. Mai 1174 starb Sultan Nured-Din und hinterließ seinen elfjährigen Sohn als Erben. Wie oft in solchen Situationen drohten Machtkämpfe auszubrechen und das Land in ein Chaos zu stürzen. Zu diesem Zeitpunkt trafen syrische Boten in Kairo ein und baten Saladin um Rat und Hilfe. Für Saladin war dies ein Wink des Schicksals.

Mit 18.000 kurdischen Reitern brach er nach Damaskus, der Stadt seiner Jugend, auf. In lang anhaltenden Kämpfen gelang es ihm, die widerspenstigen syrischen Emire und Städte, die den kurdischen Usurpator nicht anerkennen wollen, zu unterwerfen. Seinem Bruder Turan Schah vertraute Saladin die Verwaltung Syriens an und kehrte sodann nach Kairo zurück. Dort, unbeschädigt durch die Machtkämpfe um die Nachfolge des Sultans, leitete er einige erfolgreiche militärische und administrative Reformen ein. Im religiösen Bereich wandte er sich gegen die, wie er meinte, Häresie der Schiiten, die bei den Fatimiden um sich gegriffen hatte. Diese Haltung brachte ihm viel Lob ein und die Anerkennung als Sultan von Ägypten durch den Kalifen von Bagdad. Damit war Saladin auf dem Höhepunkt seiner Macht. Nun als Herrscher Ägyptens, Syriens und des Jemens konnte er die Eroberung des Königreichs Jerusalem wagen.

Im November 1177 griff Saladin den Kreuzritterstaat an. In der befestigten Stadt Askalon versuchte der erst sechzehn Jahre alte, leprakranke König Balduin IV. mit 500 Rittern den muslimischen Vormarsch aufzuhalten. Saladin unterschätzte die kleine Besatzung Askalons. Als er seine Truppen ausschwärmen, die umliegenden Dörfer besetzen und Städte belagern ließ, beschloss Balduin IV. in seiner aussichtslosen Situation, einen Ausfall zu wagen und einen Überraschungsangriff zu beginnen. Diese Strategie zeigte Erfolg. Saladins Truppen mussten ein militärisches Desaster erleben. Mit nicht einmal hundert Überlebenden konnte Saladin schließlich entkommen. Völlig erschöpft kamen am 8. Dezember 1177 die Flüchtlinge in Kairo an – gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass die Anhänger der Fatimiden, die Saladin für tot hielten, sein Erbe aufteilten.

Nachdem der als „christlicher Haudegen“ bekannte Rainald von Chatillon trotz eines vereinbarten Waffenstillstandes zwischen Saladin und dem König von Jerusalem eine große Karawane überfallen und die Rückgabe der Gefangenen hochmütig zurückgewiesen hatte, war ein Krieg nicht mehr zu vermeiden. Im Frühjahr 1187 sammelte Saladin im Hauran, einer seiner südlichen syrischen Provinzen, ein mächtiges Heer von fast 18.000 Mann. Dieses bezog sein Lager im Gebiet von Suffarija, nördlich von Nazareth. Am 1. Juli 1187 überschritt Saladin den Jordan. Derweil litten die Christen bereits an Wassermangel. Am 4. Juli fand eine lange und harte Schlacht zwischen König Guido von Jerusalem und den Truppen Saladins statt. Nach fast sechsstündiger Dauer war der Kampf zugunsten der Muslime entschieden, Saladins Triumph war vollständig. Doch anders als erwartet, ließ Saladin die Bewohner der eroberten Städte zumeist frei abziehen oder sich gegen Lösegeld freikaufen.

Zweieinhalb Monate nach der Schlacht von Hattin erschien Saladins Heer vor Jerusalem, das voller Flüchtlinge war. Ein erster Angriff auf das Damaskustor wurde blutig zurückgeschlagen. Als Saladin daraufhin für den Fall einer Erstürmung der Stadt den Einwohnern das gleiche Schicksal androhte, das seinerzeit die ersten Kreuzfahrer den muslimischen Bewohnern angetan hatten, lenkte der christliche Befehlshaber der Stadt, Balian von Ibelin, ein. Es kam zu einer Kapitulationsvereinbarung, die allen Christen den Abzug gegen ein geringes Lösegeld gewährte. Am 2. Oktober 1187 zog Saladin kampflos in Jerusalem ein, während ein langer Zug der Besiegten die Stadt verließ, einschließlich des Patriarchen von Jerusalem mit dem gesamten Kirchenschatz.

Die Niederlage der Christen von Hattin und der Fall Jerusalems, der zu Recht als Anfang vom Ende der abendländischen Intervention im Orient betrachtet wurde, alarmierten die Christenheit und waren Anlass für den dritten Kreuzzug. Nachdem es den päpstlichen Legaten gelungen war, die Könige von Frankreich und England zu versöhnen, stand einem gemeinsamen Feldzug gegen Saladin nichts mehr im Wege. Auch der schon greise deutsche Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, erklärte sich zusammen mit seinem Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, zur Teilnahme an diesem Kreuzzug bereit. Doch sollte Barbarossa sterben, ohne das „Heilige Land“ gesehen zu haben. Saladin, mittels Kundschafter über diese Kreuzzugsvorbereitungen informiert, beobachtete diese Pläne mit Argwohn, hatte er es doch diesmal nicht nur mit dem machtlosen König von Jerusalem zu tun.

Doch geschah am 10. Juni 1190 das Unerwartete zur rechten Zeit für Saladin: Kaiser Barbarossa ertrank im Fluss Saleph, dem heutigen Göksun. Das deutsche Kreuzzugsheer löste sich daraufhin auf. Die meisten Teilnehmer kehrten nach Deutschland zurück. Nur wenige zogen unter Führung Friedrichs von Schwaben weiter nach Palästina. Doch der Kampf ging weiter: Auf Sizilien zogen König Philipp II. von Frankreich und der englische König Richard Löwenherz schon ihre Kreuzzugsheere zusammen. Unterdessen hatte König Guido von Jerusalem, der sich durch Lösegeld hatte freikaufen können, eine, wenn auch wenig erfolgreiche, Gegenoffensive versucht. nämlich die Belagerung der Seefestung Akkon. Als Ostern 1191 die französische Flotte mit schwerem Belagerungsgerät vor Akkon erschien, traf sie auf ein von Saladins Truppen bereits eingeschlossenes Belagerungsheer. Erst nach Ankunft von Richards Löwenherz verbesserten wieder die Belagerer ihre Position. Saladin hatte jedoch ebenfalls Nachschub erhalten – aus Ägypten, Mesopotamien und sogar aus Marokko und Spanien. Dank seines gut funktionierenden Geheimdienstes war er zudem über Zwistigkeiten der Könige Philipp II. und Richard gut unterrichtet.

Schließlich gelang es ihm, gewaltsam den Belagerungsring zu durchbrechen und Akkon von den Belagerern zu befreien. Schließlich musste die belagerte Stadt dann doch kapitulieren. Die Einnahme Akkons war der letzte große Sieg der Franken. Richard Löwenherz ließ dreitausend muslimische Bürger Akkons umbringen. Aber auf beiden Seiten waren viele Tausende gefallen, was den Gegnern einen schweren Schlag versetzt hatte. Mehrere Versuche des englischen Königs, Jerusalem anzugreifen, scheiterten bereits im Ansatz.

Deshalb bot Richard I. Saladin einen Waffenstillstand an, auf den dieser angesichts seiner ebenfalls kriegsmüden Emire bereitwillig einging. Am 11. September 1192 wurde ein dreijähriger Waffenstillstand unterzeichnet. Dieser sah für den Kreuzfahrerstaat den Küstenstreifen zwischen Jaffa und Thyrus vor und garantierte allen Christen freien Zutritt zu den heiligen Stätten. Vier Wochen später war der dritte Kreuzzug zu Ende, und geschlagen verließ Richard I. das Land. Am 4. März 1193, ein halbes Jahr nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens, starb Saladin in Damaskus.

Saladin war ein tapferer Kämpfer, ein hervorragender Stratege seiner Zeit und eine disziplinierte, höfliche Person. Er war sehr stolz auf seine ayubidische und kurdische Abstammung, hat aber im Schatten seiner Machtposition und seines Ruhmes in der islamischen Welt seine kurdische Sprache und Kultur vernachlässigt. So hat er auch das kurdische Volk nicht in irgendeiner Weise besser behandelt als die anderen Völker seines Reiches.

Nach dem Tod von Sultan Saladin im Jahre 1193 wurde die Ayubiden-Dynastie unter seinen Erben aufgeteilt und hierdurch geschwächt. Sein Reich zerbrach in den Nachfolgekämpfen zwischen seinen Söhnen und seinem Bruder El Adil. Seine Erben herrschten bis 1250 n. Chr. im Reich ihres Vaters. Innerhalb dieser ca. 50 Jahre (1195-1244) wurden noch drei Kreuzzüge geführt, wobei kurz nach dem 6. Kreuzzug (1228/29 n. Chr.) die neu an die Macht gekommenen osmanischen Türken (1244 n. Chr.) Jerusalem eroberten.

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