Modellprojekt:
Zielgruppenspezifische Sensibilisierung und Informationsvermittlung zur kurdischen Problematik für Behörden und Polizei
Warum dieses Projekt ?
Mit ca. 600.000 Menschen, von denen rund 200.000 in NRW leben, bilden KurdInnen die zweitstärkste MigrantInnengruppe in der Bundesrepublik Deutschland. Obwohl sie seit den 50er Jahren als StudentInnen, ArbeitsmigrantInnen oder Asylsuchende immigrieren, wurde ihnen über lange Zeit von deutscher Seite wenig Interesse entgegengebracht.
Vielmehr wurde die Existenz der großen kurdischen Bevölkerungsgruppe weitestgehend überhaupt nicht wahrgenommen, bis sie Mitte der 90er Jahre ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte und der türkisch – kurdische Konflikt auch in der Bundesrepublik Deutschland seine Auswirkungen zeitigte.
Während vor dieser Zeit das Stichwort „Kurden“ bestenfalls Kindheitsreminiszenzen an Karl May hervorrief, assoziierte man nun gewaltätige Ausschreitungen, und das Wort „Kurde“ wurde zum Synomym für „Ausländerterrorismus.“
Verstärkt durch die Medienberichterstattung wirkten Autobahnblockaden und eskalierende Demonstrationen vor dem Hintergrund des sich verschärfenden wirtschaftlichen Klimas und Kampfes um Ressourcen als Katalysator für existierende gesellschaftliche Problemlagen: bereits vorhandene allgemeine ausländerfeindliche Tendenzen innerhalb der deutschen Bevölkerung wurden intensiviert und entluden sich insbesondere gegenüber kurdischen MigrantInnen, die vielen als das pars pro toto für „verwirktes Gastrecht“ galten. Unter den kurdischen MigrantInnen wuchsen Ablehnung, Skepsis und Verunsicherung gegenüber der deutschen Bevölkerung und ihren Institutionen. Das Bild vom jeweils Anderen mündete in einen Teufelskreis der selffullfilling prophecy.
Die Wogen haben sich zwar mittlerweile geglättet, Maßnahmen zur nachhaltigen Korrektur entstandener Feindbilder und Images wurden jedoch nicht im notwendigen Maße entwickelt.
Was will das Projekt ?
Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft wird sich auch daran erweisen, daß innergesellschaftliche Spannungen und Konflikte, die im Rahmen komplexer Intergationsprozesse zutage treten, friedlich und demokratisch geregelt werden.
Das Projekt basiert auf der Annahme, daß es für das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft unerläßlich ist, die Standpunkte und Sichtweisen der jeweils Anderen verstehen zu lernen. Dazu gehört nicht allein das Wissen um die kulturellen, gesellschaftlich-politischen oder religiösen Hintergründe, sondern auch die Analyse situationsbezogener Konfliktfelder, die sich in unterschiedlichen Kontexten des gemeinsamen Umgangs in unterschiedlicher Weise präsentieren. Ob bei normalen Alltagsbegegnungen, am Arbeitsplatz oder im offiziellen Umgang mit Behörden können es jeweils andere Faktoren sein, die dazu führen, daß Kommunikation mißlingt und sich vorhandene Abgrenzungen verstärken.
In einem ersten Schritt will sich das Projekt vorerst zwei Zielgruppen zuwenden: MitarbeiterInnen von Behörden, die oftmals mit kurdischen MigrantInnen umgehen, ohne jedoch über deren spezifische Problemlagen informiert zu sein und PolizistInnen, auf die sich die Bilder gewalttätiger Auseinandersetzungen unter Beteiligung kurdischer MigrantInnen in besonders tragischer Weise ausgewirkt haben.
Den Zielgruppen werden nicht nur allgemeine Informationen über die Hintergründe kurdischer MigrantInnen vermittelt. Sie sollen vielmehr im Speziellen dafür sensibilisiert werden, in welchen Situationen – die sich in Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Kontakt mit kurdischen MigrantInnen ergeben – diese eine Rolle spielen und wie sie sich auswirken.
Letztlich ist es Ziel des Projektes, auf der Basis einer erhöhten Empathiefähigkeit Lösungsstrategien für komplexe Problemlagen zu entwickeln, das korrekturbedürftige Bild der kurdischen MigrantInnen zu modifizieren und deren Vertrauen in die Institutionen des Landes, in dem sie leben, zu verbessern.
Zu diesem Zweck werden auch Kooperationen zwischen kurdischen und unterschiedlichen deutschen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen angeregt, um Synergien zu bilden, die sich bestimmend auf das Verhältnis zwischen KurdInnen und der deutschen Bevölkerung insgesamt auswirken.
Maßnamen
Durchführung von zielgruppenspezifischen Seminaren, auf denen …
- praxisorientiert über die Hintergründe und Situation kurdischer MigrantInnen in der Bundesrepublik Deutschland informiert wird
- gesellschaftliche Spannungen und Konflikte analysiert werden
- persönliche Begegnungen ermöglicht und gegenseitiges Kennenlernen gefördert wird
- deutsche Organisationen und Institutionen sowie kurdische Verbände ihre Deutungsansätze und Sichtweisen vorstellen und diskutieren
- Konfliktlösungsstrategien erarbeitet werden
Erstellen von zielgruppenspezifischen Informationsmaterialien, durch die …
- die Seminarinhalte einem größeren Interessenkreis zur Verfügung gestellt werden
- die Nachahmung des Projektes angeregt und unterstützt wird
- die öffentliche Diskussion stimuliert und bereichert wird
Kooperationen
Zusammenarbeit wird in Nordrhein-Westfalen angestrebt mit:
Projektbereich Behörden:
- Ausländerbeauftragten der Städte mit kurdischem Bevölkerungsanteil
- MitarbeiterInnen kommunaler Behörden (Arbeitsämter, Kultur- und Sozialämter)
- Gewerkschaften
Projektbereich Polizei:
- Landesinnenministerium
- Polizeipräsidien in NRW
- Gewerkschaften
- Polizeiinterne Interessengruppen
Förderung
Das Modellprojekt wird gefördert von:
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
Weitere Informationen:
Bayram Ayaz, Journalist, Köln:
Kurden und Polizei – Einflußfaktoren auf das Verhältnis der kurdischen Emigranten und der deutschen Polizei
Ansprechpartner für das Projekt
Metin Incesu, Klaus-Peter Kücherer
NAVEND – Kurdisches Informations- und Dokumentationszentrum e.V.
Bornheimer Straße 20-22
53111 Bonn
Telefon: 0228-652900
Telefax: 0228-652909