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News-Eintrag vom 21.03.2023

NEWROZ 2023 – zwischen Trauer und Hoffnung

NEWROZ pîroz be!

NEWROZTAN pîroz bêt!

NEWROZA şima pîroz bo!

Happy NEWROZ!

Bonne NEWROZ!

Feliz año NEWROZ!

NEWROZ kutlu olsun!

NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. wünscht ein frohes Newroz-Fest 2023!

Newroz bedeutet „Neuer Tag“ und steht für Hoffnung und Neubeginn. Am 21. März, zum Frühlingsanfang, wenn der Winter vorbei ist, feiern Kurdinnen und Kurden auf der ganzen Welt – mit kurdischen Klängen und Tänzen – das Newroz-Fest, den Beginn des neuen Jahres. Auch in Deutschland und Europa wird dieses Fest in vielen Städten begangen.

Aber in diesen Tagen fällt es schwer zu feiern, vor allem angesichts der Erdbebenkatastrophe.

Das große Erdbeben in der Türkei und Syrien am 6. Februar diesen Jahres, von dem besonders kurdische Gebiete betroffen sind, hat für viele Kurdinnen und Kurden unvorstellbares Leid gebracht. Mehr als 50 000 Todesopfer sind zu beklagen, Millionen Menschen haben ihr Zuhause verloren. Nach Schätzungen leben 1,9 Mio. Menschen derzeit in Notunterkünften. In der Türkei haben nach dem Erdbeben etwa 3 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen und Schutz in anderen Teilen des Landes gesucht. Nach Angaben der Welthungerhilfe lebten z.B. in der Stadt Malatya vor dem Erdbeben rd. 635.000 Menschen, nun sind es nur noch etwa 100.000 Personen. Bis heute haben noch nicht alle wieder Zugang zu Wasser und Strom. Zudem kommt es immer wieder zu Nachbeben. Es gibt noch nicht genügend Zelte. Aktuell haben Überschwemmungen zu weiteren Todesopfern geführt.

Viele Menschen hätten noch gerettet werden können, wenn die türkische Regierung schneller reagiert hätte und die Notfallmaßnahmen schneller und besser organisiert gewesen wären. Besonders die kurdischen Gebiete wurden benachteiligt. Das Erdbeben beschleunigt auch die ethnische Säuberung in den Gebieten, wo Kurden und Araber alevitischen Glaubens leben.

Es gibt zudem zahlreiche Berichte darüber, dass Hilfslieferungen von Nichtregierungsorganisationen nach dem aktuellen Beben von den Behörden verhindert oder zumindest erschwert wurden. Spenden von Kommunen, die von der Opposition regiert werden, mussten umdeklariert werden als Spenden der Regierungspartei oder der Regierung – sonst hätten die Helfer mit diesen nicht in die betroffenen Regionen fahren dürfen. Der Vorsitzende des Roten Halbmondes, Kerem Kinik, musste inzwischen zugeben, dass seine Organisation mehr als 2000 Zelte an ein privates Hilfswerk verkaufte, anstatt sie gratis an Bedürftige zu verteilen.

Zu den Zerstörungen haben auch massive Baumängel beigetragen, eine Folge von Korruption im Bauwesen. Neugebaute Mehrfamilienhäuser fielen wie ein Kartenhaus zusammen. Bei Schwarzbauten und Pfusch wurde seitens des Staates weggeschaut, mehrfach hat die türkische Regierung aus politischen Gründen in Vorwahlzeiten bei fehlerhaft gebauten Wohnhäusern sog. „Bauamnestien“ erlassen. Auch für die Erdbebenvorsorge gedachte Mittel wie die Erdbebensteuer sollen zweckentfremdet worden sein.

Die Verhängung des Ausnahmezustandes nach dem Erdbeben wurde von der Regierung dazu genutzt, unliebsame Kritiker festzunehmen und eigenes Versagen zu vertuschen.

Man darf gespannt sein, welche Auswirkungen diese Entwicklungen auf die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei haben wird, die am 14. Mai stattfinden sollen. Es ist zu befürchten, dass es zu Manipulationen bei der Wählerregistrierung kommen könnte und Erdbebenopfer nicht berücksichtigt werden.

In besonderem Maße ist auch Nordwestsyrien von den Auswirkungen des Erdbebens betroffen.

Die Lage in Syrien ist bekanntlich schwierig und verfahren. Das syrische Regime unter Baschar Al-Assad hält sich trotz schrecklicher Gräueltaten mit Hilfe von Russland und dem Iran an der Macht.

Internationale Hilfe kam bisher nur wenig an. So wurden Hilfslieferungen ins Erdbebengebiet durch viele geschlossene Grenzübergänge erschwert. Tagelang mussten Hilfskonvois an der türkischen Grenze warten. Viele Trümmer wurden seit dem Erdbeben noch gar nicht bewegt, weil es weiter an Baggern und anderen schweren Geräten fehlt. Noch immer werden Tausende Menschen in Nordwestsyrien vermisst.

Der Leiter einer UN-Kommission hat Syrien nach dem Erdbeben als „Epizentrum der Vernachlässigung“ bezeichnet. In der Erklärung der Kommission heißt es, die Weltgemeinschaft habe es nicht geschafft, eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen in dem Bürgerkriegsland zu erreichen und insbesondere auch den Einsatz von Rettungsteam in der entscheidenden ersten Woche nach dem Erdbeben versäumt. Die Assad-Regierung habe eine Woche gebraucht, um grenzüberschreitende Hilfe zu genehmigen. Die Kommission prüfe zudem Vorwürfe gegen Kriegsparteien, welche „die humanitäre Hilfe absichtlich behinderten“.

Und trotz der Erdbeben bombardierte die Türkei weiter Kurdengebiete in Nord-Syrien. Es gibt Berichte aus der von der Türkei besetzten kurdischen Region Afrin, dass dort bewaffnete Milizen internationale Hilfsgüter beschlagnahmt und weiterverkauft haben.

Hoffnung und Entsetzen kennzeichnet derzeit die Situation in Ostkurdistan.

Seit September 2022 finden Massenproteste in Iran und Ostkurdistan statt. Auslöser war der Mord an der jungen kurdischen Frau Jina Mahsa Amini. Die Proteste, die es in dieser Form seit Gründung der islamischen Republik vor über vier Jahrzehnten nicht gegeben hat, haben inzwischen eine politische Dimension angenommen, die weit über die „Kopftuch-Frage“ hinausgeht. Die Proteste weisen eine breite soziale Basis auf und umfassen besonders auch die ethnischen und religiösen Minderheiten. Es wird deutlich, dass die Islamische Republik im ganzen Land an Zustimmung verloren hat. Die Proteste im Iran sind in den kurdischen Gebieten besonders stark. Nicht zuletzt stammt auch der Slogan „Frauen, Leben, Freiheit“ („Jin, Jiyan, Azadî“) von den Kurden. Die kurdische Bevölkerung wird in der Islamischen Republik aus ethnischen und religiösen Gründen benachteiligt; die wirtschaftliche Situation in den kurdischen Gebieten ist besonders schlecht.

Die Reaktion des iranischen Regimes fällt massiv aus. Seitens des Regimes wird versucht, Terror und Panik zu verbreiten. Viele Menschen wurden erschossen, verschleppt, gefoltert, in Isolationshaft gehalten, in unfairen Gerichtsverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt, einige sogar zum Tode. Nach einem Bericht von Amnesty International hat es während der jüngsten Protestwelle im Iran auch Gewalt an Kindern gegeben. Zuletzt wurde bekannt, dass zahlreiche Schulmädchen vergiftet worden sind. In den letzten drei Monaten soll nach Medienberichten bis zu 5000 Schülerinnen betroffen sein. Trotz aller Grausamkeit, welche die Menschen im Iran jetzt erfahren, es gibt Signale der Hoffnung auf eine grundlegende Veränderung im Iran. Eine solche könnte Auswirkungen in der gesamten Region entfalten.

Die Ereignisse zeigen immer deutlicher, dass das iranische Regime unreformierbar ist. Die Kluft zwischen Staat und Gesellschaft scheint unüberwindbar. Dies verlangt auch nach einer Neupositionierung der deutschen und europäischen Politik. Diese war über Jahrzehnte hinweg lediglich am Erhalt des Status quo orientiert. Auch hier bedarf es einer „Zeitenwende“.

Zwei Jahrzehnte nach dem Sturz von Saddam Hussein hat der Irak noch keine dauerhafte Stabilität erreicht. Erst nach längerem Stillstand wurde im Oktober 2022 eine neue Zentralregierung in Bagdad etabliert.

Aufgrund der weitreichenden Selbstverwaltung der kurdischen Regionalregierung in Kurdistan-Irak existiert für die dort lebenden Menschen zwar die größte politische und kulturelle Entfaltungsmöglichkeit. Doch auch in Kurdistan-Irak sind angesichts der zahlreichen Herausforderungen Reformen dringend notwendig. Eigentlich fällige Wahlen zum kurdischen Regionalparlament wurden jedoch im Oktober 2022 verschoben. Ein neuer Wahltermin steht immer noch nicht fest. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Momentan gibt es auch eine Koalitionskrise zwischen den beiden großen Regierungsparteien.

Seit Monaten sind zudem die kurdischen Gebiete im Nordirak Angriffsziel sowohl des Nachbarn Türkei als auch Irans. Dies zielt darauf ab, die Region Kurdistan-Irak zu destabilisieren und macht die Situation nicht einfacher.

Der Iran bombardiert mithilfe von Drohnen Stützpunkte der ostkurdischen Oppositionsgruppen in Kurdistan-Irak. Das iranische Regime wirft diesen vor, die landesweiten Proteste gegen die Regierung und das islamische Herrschaftssystem im Iran zu schüren.

Die grenzüberschreitenden Operationen der Türkei zielen auf Spaltung innerhalb der Kurden und treffen die Zivilbevölkerung. Zunehmend richten sie sich nun auch auf das Gebiet um Sindjar außerhalb des Gebietes der Kurdischen Regionalregierung, in dem die êzidische Bevölkerung beheimatet ist.

In diesen schweren Zeiten wünschen wir uns umso mehr ein friedvolles Newroz-Fest. Gemeinsam stehen wir für Hoffnung und Neubeginn. Newroz symbolisiert den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit!

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