Fachtagung zu Geflüchtetencamps in Kurdistan-Irak
In Kurdistan-Irak leben derzeit Hunderttausende Menschen in Geflüchtetencamps, deren Alltag geprägt ist von der Frage, wie es in Zukunft weitergehen soll – für die Menschen, die Camps und die Region. Vor diesem Hintergrund bot die Fachtagung „Zur Situation in Geflüchtetencamps in Kurdistan-Irak“, organisiert von verschiedenen Einrichtungen der Diakonie Düsseldorf und NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V., über 60 TeilnehmerInnen einen Raum der Information und Diskussion.
Einleitend in die Veranstaltung begrüßten die Vertreterinnen der veranstaltenden Organisationen – Dagmar Kaplan, Vorstandsmitglied von NAVEND e.V., und Daniela Bröhl, Sachgebietsleiterin „Integration, Migration und Flucht“ der Diakonie Düsseldorf – das Publikum: Auch hierzulande beschäftige viele Menschen die Situation in der Region, da sie direkt oder über Umwege, privat oder beruflich mit den dortigen Geflüchteten verbunden seien. Dementsprechend sei es von besonderem Wert, dass der Referent Diyar Bibo Haji, Leiter des Esyan-Camps in Dohuk (Kurdistan-Irak), an diesem Tag Berichte aus erster Hand mitbringe.
Herr Diyar Bibo Haji, seit vier Jahren Leiter des Esyan-Camps für über 14.000 Binnenvertriebene in Dohuk (Kurdistan-Irak), begann seinen Vortrag mit einem Film über den Alltag der BewohnerInnen, aber auch der MitarbeiterInnen im Esyan-Camp. Eindrücklich zeigte dies sowohl den organisatorischen Aufbau der Camps und die zentralen Arbeits- und Problemfelder, als auch die persönlichen Geschichten, Hoffnungen und Schwierigkeiten der Geflüchteten und ermöglichte den TeilnehmerInnen einen ersten visuellen Eindruck von der Situation in einem Geflüchtetencamp vor Ort. In seinem darauffolgenden Vortrag schilderte Herr Haji die administrative Seite seines Camps und zeigte, welche umfangreiche Planung und Organisation es benötigt, um mehreren Tausend Menschen nicht nur kurzfristig Zuflucht zu bieten, sondern ihren Aufenthalt über einen längeren Zeitraum zu koordinieren. Hierzu bedarf es vor allem Bildungsmöglichkeiten für Kinder, besonderen Schutz und Unterstützung für Geflüchtete mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Frauen, unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten oder Senioren) und Maßnahmen zur Förderung der Verantwortungsübernahme für das Camp unter seinen BewohnerInnen. Dies, so betonte der Referent, sei vor allem durch die gute Zusammenarbeit mit der regionalen Regierung und dank internationalen und nicht zuletzt auch deutschen Organisationen wie der GIZ möglich. Für deren Unterstützung bedankte er sich.
Anschließend hieran befasste sich Herr Bernhard von Grünberg, stellvertretender Bundesvorsitzender der UNO-Flüchtlingshilfe, in seinem Vortrag zuerst mit der Notwendigkeit internationaler Unterstützung für die Region und hob Initiativen wie beispielsweise das „Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet“ hervor. Daran anknüpfend diskutierte er die Versäumnisse aber auch notwendige Handlungsoptionen bezüglich des langfristigen Betriebs der Camps. Da ein Großteil der Geflüchteten in der Region vorerst nicht in ihre Heimat zurückkehren könne, sieht Herr von Grünberg einen noch Jahre andauernden Aufenthalt der Geflüchteten. Um den Menschen und der Region durch den konstant aufrecht erhaltenen Übergangsstatus, der z.B. zur Bildung von Slums oder völliger finanzieller Abhängigkeit führt, nicht zu schaden, brauche es unter anderem Konzepte zur Arbeitsmarktintegration und verstärkten Wohnungsbau.
In der anschließenden Diskussion wurden verschiedene Aspekte der Thematik von den TeilnehmerInnen aufgegriffen und weiterdiskutiert. Einige Gäste, die selbst aus der Region stammen und nach Deutschland flüchteten, ergänzten Herrn Hajis Vortrag um ihre persönlichen Geschichten und vermittelten dem Publikum so einen noch wirkungsvolleren Eindruck zur Lage in Kurdistan-Irak. Darüber hinaus debattierten die TeilnehmerInnen und Referenten, ob und wenn ja, wie es möglich ist, den geschilderten langfristigen Aufenthalt nachhaltiger zu gestalten, beispielsweise durch Selbstorganisation oder durch gezielte Arbeitsangebote von deutschen ArbeitgeberInnen in der Region.
NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. möchte sich bei allen bedanken, die am Erfolg dieser Fachtagung mitgewirkt haben, beginnend bei den ReferentInnen Dagmar Kaplan, Daniela Bröhl, Diyar Bibo Haji und Bernhard von Grünberg, Bawer Benawi für die Übersetzung und Mazlum Dogan für die Moderation. Großer Dank gilt zudem der Diakonie Düsseldorf und allen voran Kamil Basergan für die gelungene Zusammenarbeit.