Jahres-Gedenken an Mehmet Atmaca („Hamo“)
Am 10.12.2018 ist der 1. Jahrestag des Todes unseres Freundes Mehmet Atmaca („Hamo“). Hamo war eines unserer ersten Mitglieder und sehr aktiv, vor allem in Hamburg und Umgebung.
Besonders zeichnete ihn sein selbstloses Engagement, seine Geradlinigkeit und seine Vielseitigkeit aus. Wir schätzten ihn für seine ruhige, besonnene und tolerante Handlungsweise und sein breites Wissen.
Er war vor einem Jahr – ausgerechnet am internationalen Tag der Menschenrechte – plötzlich und unerwartet im Alter von 64 Jahren in Hamburg an einem Herzinfarkt verstorben. Leider war es ihm so auch nicht mehr vergönnt, den 20. Geburtstag seines Sohnes Ronas zu erleben.
Hamo wurde am 6.5.1953 im kurdischen Dorf Karaköy in der Nähe der Kleinstadt Suruc bei Urfa geboren. Er ging von 1959 bis 1970 im Heimatort zur Schule, wo er Abitur machte.
1974 lud ein Verwandter ihn ein, nach Köln zu kommen, um dort zu studieren. So lernte er bis 1976 in Köln Deutsch und besuchte dann ein Jahr in Hagen das Studienkolleg, bevor er von 1978 bis 1982 in Hagen und von 1982 bis 1988 in Dortmund Architektur studierte. Er schloss das Studium 1988 erfolgreich ab.
Schon während des Studiums setzte er sich mehr und mehr mit der Situation in Kurdistan auseinander und unterstützte ehrenamtlich andere MigrantInnen und geflüchtete Menschen. Neben seinem politischen Engagement für die Rechte der KurdInnen (in Deutschland wie in Kurdistan) beschäftigte er sich mit kurdischer Geschichte, Sprache und Kultur. Unter anderem schrieb er selbst Gedichte in seiner Muttersprache Kurmanci und war ehrenamtlich für kurdisch-deutsche Publikationen (Kurdistan Archiv sowie Zeitschrift „Mizgin“ des Kurdischen Instituts und des Roten Kreuzes) tätig. Es war ihm immer wichtig, die kurdische Sprache zu bewahren, und er ermutigte stets seine Landsleute, sie nicht aufzugeben, sondern zu pflegen.
Alle, die ihn kannten, schätzten seine große Hilfsbereitschaft und seinen Sinn für Gerechtigkeit. Unter anderem war er auch aktiv in der Flüchtlingsarbeit der Diakonie in Hagen (1978-91), im AllerWeltHaus in Hagen (1979-91), bei Amnesty International (1979-90), Medico International (1982-88), dem Ausländerbeirat in Hagen (1982-90) und der Gesellschaft für bedrohte Völker (1987-93). Darüber hinaus engagierte sich Hamo auch für die kurdische Organisation KAWA.
Als er aus Protest gegen die Unterdrückung der KurdInnen seinen türkischen Pass abgab, wurde Hamo plötzlich selbst zum Flüchtling und musste um seine Sicherheit und eine Zukunft in Deutschland kämpfen. Auch konnte er nun viele Jahre nicht mehr nach Kurdistan reisen und seine Familie besuchen. Besonders traurig war es für ihn, dass seine geliebte Mutter starb, ohne dass er sie noch einmal sehen konnte.
Hamo wurde 1992 Gründungsmitglied von NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. , Besonders engagierte er sich für die NAVEND-Publikation „Kurdistan heute“. Auch übersetzte er mehrere NAVEND-Schriften vom Deutschen ins Kurdische, u.a. „Schule in Nordrhein-Westfalen („Dibistan (Xwendegeh li Nordrhein-Westfalen“) und „Kleiner Ratgeber für kurdische Migrantinnen und Migranten (Şîretvanê biçûk bo Kurdên li Migrasyonê (Hinderanê“, „Wegweiser für kurdische Migranten (Rênişank bo Mişextinê Kurdan)“. Umgekehrt übersetzte er für NAVEND auch Texte vom Kurdischen ins Deutsche.
1993 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Hamburg, um eine Stelle als Dolmetscher und Sozialberater bei der „Gesellschaft zur Unterstützung von Gefolterten und Verfolgten e.V.“ anzunehmen. Dort war Hamo Teil eines internationalen, mehrsprachigen und interdisziplinären Teams mit afrikanischen, arabischen und südamerikanischen KollegIinnen. Diese Einrichtung wurde leider 2004 geschlossen.
Hamburg wurde nun für fast ein Vierteljahrhundert sein Zuhause und damit die letzte Station seines Lebens. Dort wurde 1998 auch sein Sohn Ronas geboren.
Am glücklichsten war er – neben der mit seinem Sohn verbrachten Zeit – während seiner Reisen nach Kurdistan. Zusätzlich zu seinem Heimatort Suruc fühlte er sich immer stark mit Südkurdistan (Kurdistan-Irak) verbunden und träumte zeitweise davon, sich dort niederzulassen. Kurz vor seinem Tod war er noch im September 2017 als Beobachter des Unabhängigkeitsreferendums in Kurdistan-Irak.
Neben der Trauer wollen wir uns nun am ersten Jahrestag seines Todes an die guten Zeiten mit Hamo erinnern. NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. hat ihm viel zu verdanken. Wir vermissen ihn! Neben seinem Einsatz für die kurdische Sache waren Hamo immer auch internationale Solidarität, Mitmenschlichkeit und auch die Rechte der Frauen sehr wichtig.
Sein Wirken lebt insbesondere durch die Projekte fort, für die er sich engagiert hat, und durch unser eigenes Engagement.
Bonn, den 10.12.2018