Auch Mardin unter Zwangsverwaltung – Verhaftung von Bürgermeister Ahmet Türk
Seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 und der Verhängung des Ausnahmezustandes in der Türkei gegen die islamische AKP-Regierung mit aller Härte gegen die Opposition und insbesondere kurdische Politiker vor.
Die Regierung in Ankara hat nach unserer Kenntnis inzwischen 34 Gemeindeverwaltungen in der kurdischen Region unter Staatsaufsicht gestellt, 39 Bürgermeister sitzen in Untersuchungshaft. Seit Montag, den 21. November 2016 ist auch der 74-jährige kurdische Politiker Ahmet Türk inhaftiert.
Zuvor hatte das türkische Innenministerium die Stadt Mardin unter Zwangsverwaltung gestellt. Mardin hatte eine Doppelspitze, Bürgermeister Ahmet Türk und seine Amtskollegin Februniye Akyol, die der Minderheit der christlichen Aramäer angehört und die einzig christliche Bürgermeister der Türkei war.
Wir sind über diese Nachricht bestürzt und fordern die sofortige Freilassung von Ahmet Türk.
Ahmet Türk gehörte jahrzehntelang dem türkischen Parlament an und setzte sich standhaft und furchtlos für die Interessen der Kurdinnen und Kurden ein. Er hat in den vergangenen 40 Jahren alle Höhen und Tiefen der Politik erlebt. Er bekleidete wichtige Positionen, u.a. in der HADEP, DEP und DEHAP. Er war bereits 1980 nach dem Militärputsch für zwei Jahre inhaftiert und im berüchtigten Gefängnis von Diyarbarkir der Folter ausgesetzt. Bis 1986 wurde ihm jede politische Aktivität verboten. 1994 wurde er erneut verhaftet und verbrachte 22 Monate im Gefängnis. Auch in der jüngeren Vergangenheit wurde der herzkranke Politiker zum Opfer von Gewalt.
Der erfahrene Politiker Ahmet Türk ist für die Kurden so etwas wie eine Legende – ein kurdischer Aristokrat, zugleich aber ein Demokrat und liberaler Geist. Die Vorwürfe gegen Ahmet Türk sind fadenscheinig und laufen – wie inzwischen leider üblich – darauf hinaus, Verbindungen zu einer „Terrororganisation“ zu konstruieren. Er wurde – wie auch andere kurdische Politiker – in das von seiner Heimat weit entfernte – Gefängnis in Silviri in Istanbul verbracht. Ihm droht jetzt eine Strafe zwischen 7 und 18 Jahren Gefängnis.
Wir sind voller Schmerz und Sorge. Ahmet Türk ist ein weitsichtiger Politiker, der bei der Lösung der Kurdenfrage eine wichtige Schlüsselrolle einnehmen könnte. Seine Verhaftung ist ein schlimmes Signal!
Die Bundesregierung, aber auch die europäischen und internationalen Institutionen sind aufgefordert, deutlich Stellung zu beziehen. Vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Entwicklung in der Türkei begrüßen wir es, wenn die EU-Beitrittsgespräche vorerst auf Eis gelegt und alle Instrumente genutzt werden, um der Politik Erdogans entschieden entgegenzutreten.