NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. wünscht ein frohes Newroz-Fest 2025!
Newroza we pîroz be!
Newroz, das am 21. März gefeierte kurdische Neujahrsfest, ist ein Symbol für Hoffnung, Freiheit und Widerstand. Es ist ein Fest, das tief in der kurdischen Kultur verwurzelt ist und von Millionen Kurd:innen weltweit gefeiert wird. Newroz bedeutet „Neuer Tag“ und markiert den Beginn eines neuen Jahres und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit Es steht auch für den jahrhundertealten Kampf der Kurd:innen um kulturelle und politische Rechte. Es ist ein Fest, das die kurdische Identität stärkt und den Wunsch nach Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung zum Ausdruck bringt.
In diesem Jahr fällt Newroz in eine Zeit, in der die Lage der Kurd:innen in der Türkei, Syrien, Iran und Irak weiterhin von politischen Spannungen, Repression und Unsicherheit geprägt ist.
In der Türkei stehen kurdische Parteien und Aktivist:innen unter massivem Druck. Die Regierung unter Präsident Erdoğan geht mit Verbotsverfahren, Verhaftungen und militärischen Operationen gegen kurdische Strukturen vor. Die politische Vertretung der kurdischen Bevölkerung ist sehr eingeschränkt.
Nach dem Aufruf von Abdullah Öcalan zur Auflösung der PKK und Niederlegung der Waffen könnte nun eigentlich die Zeit reif sein für Deeskalation und einen Neubeginn. Doch die Zweifel wachsen. Bisher zielt die Politik des türkischen Präsidenten Erdoğan lediglich auf eine einseitige kurdische Unterwerfung, Perspektiven für die kurdische Bevölkerung und für eine Stärkung von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlich sind nicht erkennbar. Weder eine Freilassung von politischen Gefangenen, die Wiedereinsetzung der abgesetzten kurdischen Bürgermeister:innen, Maßnahmen im Bildungsbereich noch eine Verankerung kurdischer Rechte zeichnen sich ab.
Gerade erleben wir sogar eine Welle neuer Festnahmen gegen Oppositionspolitiker:innen, begleitet von Straßensperren in Istanbul. Unter den Festgenommenen befindet sich Ekrem Imamoğlu, der populäre CHP-Bürgermeister von Istanbul und Präsidentschaftskonkurrent von Erdoğan, sowie etwa 100 weitere Personen, darunter Künstler, Unternehmer, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Journalisten. Das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte erinnert an einen zivilen Putsch. In Istanbul wurde bis Sonntag ein viertägiges Demonstrations- und Versammlungsverbot sowie eine Nachrichtensperre verhängt. Dies wird evtl. auch Feiern zu Newroz betreffen.
Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien ist die Zukunft des Landes ungewiss. Syrien liegt in Trümmern, große Teile des Landes sind zerstört. Die kurdischen Gebiete im Nordosten Syriens haben eine gewisse Autonomie erlangt und spielten eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), stehen aber weiterhin unter dem Druck verschärfter türkischer Angriffe und der Bedrohung durch den IS. Die Türkei versucht bereits seit Jahren, die kurdisch dominierten Selbstverwaltungsstrukturen und die Infrastruktur im Norden des Landes zu zerschlagen. Ihre weitere Zukunft ist unsicher und hängt von den politischen Entwicklungen in Syrien und der internationalen Unterstützung ab. Auch der von der islamistisch dominierten syrischen Übergangsregierung vorgelegte Verfassungsentwurf sowie Massaker an der alawitischen Minderheit in Syrien lassen Zweifel aufkommen hinsichtlich einer künftigen Achtung von Menschenrechten, der Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit und der Einbeziehung aller ethnischen und religiösen Gruppen in Syrien.
In Ostkurdistan und im Iran ist die Lage weiter angespannt. Die wirtschaftliche und soziale Marginalisierung der kurdischen Gemeinschaft bleibt ein großes Problem. Es gibt immer wieder Proteste und Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Gruppen und den iranischen Sicherheitskräften. Mehr als zwei Jahre nach Ausbruch der landesweiten Proteste unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ sind noch immer zahlreiche Menschen in Haft und vom Tod bedroht. Hiervon sind besondere Kurd:innen betroffen. Angesichts der zunehmenden Verhängung von Todesurteilen durch die Gerichte ist mit weiteren Hinrichtungen zu rechnen. Die Ereignisse zeigen immer deutlicher, dass das iranische Regime unreformierbar ist. Die Kluft zwischen Staat und Gesellschaft scheint unüberwindbar.
Immerhin wurde das Regime in den letzten Monaten geschwächt. Der Iran verliert immer mehr Verbündete. Hamas und Hisbollah haben schwere Niederlagen erlitten, und mit Assad in Syrien ist der engste Verbündete gestürzt worden. Ob sich hieraus mittel- und langfristig Veränderungen auch im Iran ergeben, ist denkbar, aber beileibe nicht sicher.
In den letzten Tagen haben die Kurd:innen im Iran jedenfalls selbstbewusst und massenhaft das Newrozfest gefeiert und damit ein Zeichen gesetzt.
Die autonome Region Kurdistan im Irak hat sich als relativ stabil erwiesen, doch interne politische Spannungen und die Beziehungen zur Zentralregierung in Bagdad stellen weiterhin Herausforderungen dar. Beispielsweise wurde die Vereinheitlichung der kurdischen Peshmerga-Einheiten und der kurdischen Geheimdienste noch nicht vollendet. Am 20.10.2024 haben nun endlich kurdische Parlamentswahlen stattgefunden. Doch noch gibt es keine neue Regionalregierung, die Koalitionsverhandlungen dauern an.
Gleichzeitig setzen grenzüberschreitende Angriffe der Türkei die kurdische Zivilbevölkerung unter Druck. Diese grenzüberschreitenden Operationen der Türkei auf Ziele in den kurdischen Siedlungsgebieten des Irak zielen auf Spaltung innerhalb der Kurd:innen. Zunehmend richten sie sich nun auch auf das Gebiet um Sindjar außerhalb des Gebietes der Kurdischen Regionalregierung, in dem die êzidische Bevölkerung beheimatet ist.
Mit Sorge beobachten wir diese Entwicklungen. Umso mehr wünschen wir uns ein friedvolles Newroz-Fest. In der kurdischen Heimat werden an diesem Tag traditionell große Feuer entzündet, musiziert, getanzt und gesungen. Auch in der kurdischen Diaspora wird dieses Fest begangen. Gemeinsam stehen wir für Hoffnung und Neubeginn.