Zum Inhalt
News-Eintrag vom 17.03.2025

Sieben Jahre türkische Besatzung in Afrin

Am 18. März 2018 jährt sich die Besetzung Afrins durch die Türkei und ihre verbündeten Milizen. Dieser Tag markiert ein tragisches Kapitel in der Geschichte der Region, das von Vertreibungen, Menschenrechtsverletzungen und dem Verlust kultureller Identität geprägt ist.

Vor sieben Jahren, am 18. März 2018, nahmen türkische Truppen, unterstützt von islamistischen Söldnern, im Rahmen der sog. „Operation Olivenzweig“ das kurdische Selbstverwaltungsgebiet im Distrikt Afrin (Syrien) ein. Vor der Invasion lebten in Afrin zu 90-95 % Kurdinnen und Kurden. Das Gebiet galt zudem bis zum Angriff der Türkei als eine der letzten sicheren Zufluchtsorte für Binnenvertriebene in Syrien. Inzwischen ist die große Masse der angestammten BewohnerInnen geflohen. Mittlerweile leben dort nur noch 25 % der ursprünglichen kurdischen EinwohnerInnen. Dabei handelt es sich zumeist um ältere Menschen. Hunderttausende Menschen, hauptsächlich Kurden, wurden aus Afrin vertrieben. Berichte von Menschenrechtsorganisationen dokumentieren zahlreiche Fälle von Plünderungen, Enteignungen und Menschenrechtsverletzungen.

Die Zivilverwaltung von Afrin steht seit 2018 unter der Kontrolle des Gouverneurs von Hatay in der Türkei. In dem Gebiet findet eine ethnische Säuberung statt. In den von geflüchteten bzw. vertriebenen KurdInnen zurückgelassenen Häusern siedeln die türkischen Machthaber gezielt arabische und turkmenische Menschen an. Alles Kurdische wurde aus dem öffentlichen Leben getilgt. In den Schulen wird nur auf Arabisch und Türkisch unterrichtet, Ortsnamen und Bezeichnungen wurden arabisiert. Insbesondere in vormals ezidischen Siedlungsgebieten wurden und werden aus Mitteln islamistischer Stiftungen neue Häuser errichtet, um Wohnraum für neu angesiedelte Menschen (Turkmenen und sunnitische Araber) zu schaffen.

Foto: Rudaw

Tausende vertriebene kurdische Familien aus Afrin wurden enteignet. Seit dem Beginn der türkischen Besetzung von Afrin sollen zudem schätzungsweise etwa 500.000 Olivenbäume gefällt worden sein. In der vom Klimawandel betroffenen Region hat dies katastrophale Folgen.

Inzwischen ist zwar die Assad-Regierung in Syrien gestürzt, doch die Türkei und ihre verbündeten Milizen, die sog. Syrische Nationale Armee (SNA), machen bisher keine Anstalten, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen. Die Türkei verschärft vielmehr ihre militärische Eskalation im Schatten des Umsturzes in Syrien. Bereits seit Jahren versucht sie, die kurdisch dominierten Selbstverwaltungsstrukturen im Norden des Landes zu zerschlagen. Es toben heftige Kämpfe, und die SNA erhält Luftunterstützung durch türkische Drohnen und Kampfjets.

Die anhaltenden Kämpfe zeigen auch den begrenzten Einfluss der von der islamistischen Hayat-Tahrir-as-Scham dominierten Übergangsregierung. Übergangspräsident Ahmad al-Schaara und Mazlum Abdi, der Oberkommandierende der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben vor diesem Hintergrund am 10. März 2025 ein Abkommen unterzeichnet, welches die Integration der mehrheitlich kurdischen SDF und der zivilen Einrichtungen in Nordsyrien in einen künftigen syrischen Staat vorsieht, was einem Ende der Selbstverwaltung gleichkommt. Jedoch werden die Kurden in diesem Abkommen erstmals als „indigene“ Gemeinschaft anerkannt, und es werden ihnen staatsbürgerliche Rechte zugesichert. Insbesondere sieht das Abkommen die „Sicherstellung der Rückkehr aller vertriebenen Syrer in ihre Städte und Dörfer sowie ihres Schutzes durch den syrischen Staat“ vor.

Damit verbunden ist die Hoffnung, die Angriffe der Türkei zu beenden und die Türkei und ihre islamistischen SNA-Söldner perspektivisch zum Rückzug aus Afrin zu zwingen. Doch bisher halten die Angriffe von türkischer Seite unvermindert an. Gerne erst, am 16. März 2025, wurde eine neunköpfige Familie in Kobane durch einen türkischen Drohnenangriff vollständig ausgelöscht.

Dies widerspricht dem im Abkommen vorgesehenen „Waffenstillstand auf dem gesamten syrischen Staatsgebiet“. Parallel dazu gehen auch die Massaker an der alawitischen Minderheit weiter.

Foto: Rudaw

Auch ist die Integration der SDF in die syrische Armee zweifellos ein großes Risiko. Denn es ist höchst fraglich, ob man der islamistisch geprägten syrischen Übergangsregierung wirklich vertrauen kann. Der jetzt von al-Schaara vorgelegte Verfassungsentwurf lässt vielmehr Schlimmes befürchten, steht in Widerspruch zu dem o.g. Abkommen und wird von der politische Führung der Kurd:innen in Syrienabgelehnt. Der Entwurf sehe einen Autoritarismus in neuem Gewand vor, teilte der Demokratische Rat Syriens mit. Die Organisation ist der politische Arm der Miliz Syrische Demokratische Kräfte (SDF), die den Nordosten des Landes überwiegend kontrolliert. Der Entwurf verankere eine zentralistische Herrschaft und verleihe der Exekutivgewalt absolute Macht. Hunderte Menschen gingen in der Region bereits gegen den Entwurf auf die Straße.

Am Jahrestag der Besetzung von Afrin erinnern wir an das Leid der betroffenen Menschen und rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, nicht wegzusehen. Die Besatzung muss beendet, die Täter zur Rechenschaft gezogen und die Rückkehr der Vertriebenen unter sicheren und würdigen Bedingungen ermöglicht werden.

NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. 

Bornheimer Str. 20-22, 53111 Bonn
Tel: 0228 652900, Fax: 0228 652909
info@navend.de


Jede Spende hilft unserer Arbeit!

In unserer Arbeit setzen wir uns mit wichtigen Entwicklungen in allen Teilen Kurdistans auseinander und unterstützen Prozesse zur Verbesserung der Lage der Kurd*innen in ihrer Heimat. Seit unserer Gründung haben wir mit zahlreichen Veranstaltungen und Projekten viele drängende Themen aufgegriffen.

Weiterlesen

Beratung und Hilfe im Bereich Erziehung/ Bildung in Bonn

Wir bieten insbesondere für kurdische Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern Beratung und Unterstützung zu folgenden Themen an:

Studium, Schule, Erziehung, diesbezügliche Konfliktsituationen, Förder- und Nachhilfemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, Schwierigkeiten im Alltag.
Man kann uns telefonisch, per Mail und per Chat kontaktieren. Oder kommt einfach vorbei!

Ansprechperson: Shirin Jamil
Sprechstunde: Di & Do: 14:00-16:00
Telefon: 015751166265 | 0228/652900
Mail: projekt@navend.de, info@navend.de

Hinweis in eigener Sache:

In der jetzigen Corona-Pandemie hoffen wir, dass es Euch/Ihnen und Euren/Ihren Familien gut geht.

Um niemanden zu gefährden, haben wir alle Veranstaltungen und Treffen bis auf Weiteres abgesagt. Unsere Geschäftsstelle ist von Montag bis Donnerstag von 9.00 – 17.00 Uhr für den Publikumsverkehr geöffnet. Wir bitten jedoch um vorherige Terminvereinbarung; auch ist ein Mund-Nasen-Schutz erforderlich.

Weiterlesen

Hinweise zum Umgang mit dem Corona-Virus auf Kurdisch

Informationen der Landesregierung NRW: Kurmancî

Mehrsprachige Information zum Umgang mit dem Coronavirus

Kurdischsprachiges Beratungsangebot in Köln-Vingst

Montags 13.00 – 15.00 Uhr
Kultur- und Bildungszentrum Köln e.V.
Olpener Str. 143, 51103 Köln-Vingst

Diese Beratung wird ehrenamtlich von Herrn Hasan Taschkale durchgeführt. Wir danken ihm für sein Engagement. Er hilft bei Alltagsfragen – ob zum Thema Schule, Behörden oder Beruf, durch Übersetzung, Gespräche oder gegebenenfalls den Verweis zu Fachberatungsstellen.

Infomaterial für Geflüchtete in kurdischer Sprache

Hier gibt es Informationen über Asylrecht, Asylverfahren und weitere hilfreiche Links.

Kurdische Lehrbücher für Kinder

Hier finden Sie die erste Auflage unser neuen Broschüre, die aktuelle Lehrmaterialien für den Kurdisch-Unterricht auflistet und kommentiert.


Schrift anpassen



Farbauswahl