Zwei Jahre türkische Besatzung in Afrin
Am 20. Januar 2018 begann die Türkei ihre militärische Offensive gegen die kurdischen Selbstverwaltungsgebieten im Distrikt Afrin (Syrien) und konnte schließlich am 18. März 2018 den Ortskern der Stadt Afrin einnehmen und besetzen.
Afrin galt bis zum Angriff der Türkei als eine der letzten sicheren Zufluchtsorte für Binnenvertriebene im Land. Die Türkei bediente sich bei ihrer Operation der Unterstützung islamistischer Kämpfer. Sie setzte dabei auch deutsche Waffen – wie Leopard 2-Panzer – ein. Aus Furcht vor Massakern durch türkische Soldaten und islamistische Milizen flüchteten daraufhin Hunderttausende.
Dieser militärische Überfall und die Besetzung von offiziell syrischem Staatsterritorium wurden in der Völkerrechtslehre und Praxis weitestgehend einhellig als völkerrechtswidrig verurteilt. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezeichnete die Militäroffensive, die die türkische Regierung zynischer Weise als „Operation Olivenzweig“ betitelt, als völkerrechtswidrige Handlung.
Auch zwei Jahre danach hält die türkische Besatzung weiterhin an. Darüber hinaus besetzte die Türkei im Oktober 2019 mit der sog. Operation „Friedensquelle“, ebenfalls unter Beteiligung islamistischer Milizen, einen 120 Kilometer breiten und 30 Kilometer tiefen Streifen im Grenzgebiet zwischen der Stadt Serêkaniyê (Ras-al-Ayn) und Girê Spî (Tell Abyad), der von Kurden bewohnt wurde.
In Afrin haben türkische Militärs und ihre islamistischen Verbündeten nun nach zwei Jahren in den besetzten Gebieten bereits Fakten geschaffen: Die Stadt wurde geplündert, Zivilisten ermordet, zehntausende kurdische Einwohner aus der Stadt vertrieben, deren Häuser und Felder beschlagnahmt und an die überwiegend turkmenischen und arabischen islamistischen Familien, die aus anderen syrischen Gebieten stammten, verteilt. Auch Kulturgüter wurden geplündert bzw. zerstört. Ganze Ortschaften wurden umbenannt und erhielten seitdem arabische oder türkische Namen. In den Schulen wurde Arabisch und Türkisch Unterrichtssprache. Alles Kurdische wurde aus dem öffentlichen Leben getilgt. Je länger dieser völkerrechtswidrige Zustand anhält, umso schwieriger wird eine Rückkehr der vertriebenen Menschen.
Bereits im März 2018 hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) noch gesagt, dass die türkische Militäroperation „sicherlich nicht mehr im Einklang mit dem Völkerrecht wäre“, wenn türkische Truppen dauerhaft in Syrien bleiben würden. Weitere Schritte blieben jedoch aus. Dies ist ein Versagen der westlichen Welt.
Die Tatsache, dass die Reaktionen der internationalen Staatenwelt zur Besetzung Afrins nur verhalten ausgefallen sind, hat die türkische Regierung gerade zu weiteren völkerrechtswidrigen Handlungen in Nordsyrien ermutigt. Auch die Operation „Friedensquelle“ führte zu einer Vertreibung von zehntausenden Zivilisten.
Schon im Vorfeld der sogenannten Operation „Friedensquelle“ hatte der türkische Präsident Erdogan 2019 die Einrichtung einer sogenannten Sicherheitszone auf syrischem Gebiet entlang der türkischen Grenze, das überwiegend von Kurden bewohnt wird, angekündigt und den Plan einer Umsiedlung von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge aus der Türkei in diese Zone öffentlich bekannt gegeben, sogar vor der UN Vollversammlung. Dabei forderte er wiederholt die Weltgemeinschaft, insbesondere die EU und Deutschland, zur Finanzierung dieser Umsiedlungspläne auf. Er drohte dabei andernfalls damit, den „Weg für Flüchtlinge nach Europa freizumachen“.
Dieses Spiel darf Deutschland und Europa nicht mitmachen.