Fachtagung „Flucht, Zuwanderung, Integration. Ursachen – Herausforderungen – Perspektiven“
Bei der Fachtagung von NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. rund um das Thema „Migration“ am Donnerstag, den 28. Juni 2018, konnten wir uns über informative Vorträge und lebhafte Diskussionen mit spannenden ReferentInnen und zahlreichen interessierten Gästen freuen.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Metin Incesu, Vorsitzender von NAVEND e.V., und Ministerialrätin Barbara Both vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie beide betonten, dass Deutschland schon lange ein Einwanderungsland sei, dass dies jedoch auch Herausforderungen mit sich bringt – worauf Politik, Verwaltung und Gesellschaft reagieren müssen. Begleitet von ganz persönlichen Erzählungen zum Thema „Flucht“ – im eigenen Leben oder innerhalb der Familiengeschichte – stimmten sie die TeilnehmerInnen damit auf den weiteren Tag ein.
Bereits im Zahlen- und Faktencheck hob Katrin Pfündel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), hervor, dass es gerade die Angst vor gewaltsamen Auseinandersetzungen, vor Verfolgung und Diskriminierung sind, die Menschen zur Flucht veranlassen. Die Statistiken zeigten zudem, dass ein großer Teil der in den letzten Jahren nach Deutschland geflüchteten Menschen aus den Ländern Syrien, Irak, Iran und Türkei stammt.
Diese beiden Elemente verbanden sich in den darauf folgenden Fachvorträgen von Mahir Tokatli, Dr. Salar Bassireh, Dr. Adel Feyzi und Dr. Kamal Sido, da gerade diese Fluchtursachen in den genannten vier Ländern vorherrschen. Eine Gruppe, die dort besonders schweren Diskriminierungen ausgesetzt ist – das betonten alle vier Referenten – sind die KurdInnen. Obwohl in den jeweiligen Ländern zum Teil spezifische Entwicklungen und Ausprägungen der Unterdrückung vorhanden sind, berichteten alle Referenten über die institutionelle und strukturelle Diskriminierung und Verfolgung der kurdischen Bevölkerung. Als eine der zentralen Ursachen für diese Entwicklung identifizierten sie die von außen herbeigeführte Gründung von Nationalstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, welche sich über ethnische Zusammengehörigkeit hinwegsetzte.
Am Nachmittag lag der Blick nun auf dem Einwanderungsland Deutschland. Die Erfahrungsberichte dreier Geflüchteter, die in unterschiedlichen Jahrzehnten nach Deutschland kamen, ließen gesellschaftliche und integrationspolitische Veränderungen deutlich werden. Während Sooz Al-Ali, die erst vor wenigen Jahren nach Deutschland kam, zeigte, welches Integrationspotenzial die Angebote für Geflüchtete in Deutschland heute bieten können, berichtete Metin Incesu, der in den 1980er Jahren angekommen war, von völlig gegenteiligen Erfahrungen: Er musste für jede Möglichkeit der Teilhabe kämpfen. Trotz dieser positiven Entwicklungen, so die wichtige Ergänzung eines Tagungsteilnehmers, machen jedoch auch heute noch viele Geflüchtete – nämlich vor allem jene mit schlechter Bleibeperspektive – ähnliche Erfahrungen wie Herr Incesu damals.
In der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Ungleichwertigkeitsvorstellungen unter MigrantInnen“ folgte eine angeregte Debatte, unter anderem über muslimischen Antisemitismus. Dieser sei, so Dr. Günther Jikeli und Berivan Aymaz, sowohl mit der Schulausbildung in den Heimatländern als auch dem Einfluss islamistischer Gruppen in Deutschland verknüpft. Eine Notwendigkeit, um dieser Herausforderung zu begegnen, sahen alle TeilnehmerInnen bei einer umfassenden Demokratiebildung, um solchen Wertevorstellungen zu begegnen. Gleichzeitig müssten dabei gerade die Werte und Ideale einiger migrantischer Verbände kritisch beleuchtet werden. Und auch bei der Mehrheitsgesellschaft sahen alle drei eine gewisse Verantwortung. Beshid Najafi brachte es auf den Punkt: MigrantInnen müsse ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt werden, um die Ausbildung extremistischer Tendenzen zu vermeiden. Daran sei die Frage geknüpft: Was tun wir dafür und welche Zeichen sendet die Politik?
Viele der im Bereich „Integration“ haupt- und ehrenamtlich Tätigen nutzten die Veranstaltung, um sich tiefergehend über die Themen „Flucht“ und „Integration“ zu informieren, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen. Vielen Dank allen TeilnehmerInnen für die gelungene Tagung!
Ganz herzlich danken wir zudem Ministerialrätin Barbara Both sowie den ReferentInnen Katrin Pfündel, Mahir Tokatli, Dr. Salar Bassireh, Dr. Adel Feyzi, Dr. Kamal Sido, Berivan Aymaz, Behshid Najafi, Dr. Günther Jikeli, Sooz Al-Ali und Jawher Khrane für ihre gelungenen Beiträge zur Tagung – sowie Gesa Gröning und Ansgar Drücker für die hervorragende und engagierte Moderation.